50 Jahre DHB-Pokal - Das Magazin

Grenzenloser Jubel bei Youngster Fabian Wiede

DIE WIEDERGEBURT DES SC MAGDEBURG

Der Sieg des SC Magdeburg im DHB- Pokal 2016 war eine sportliche Sen- sation. Und er verschaffte dem jungen Chefcoach Bennet Wiegert die nötige Luft zum Atmen. Es war ein Überfall via Telefon, den Bennet Wiegert an einem Sonntag- abend im Dezember 2015, bei Bifteki und Souvlaki erlebte. Man brauche ihn nun als Cheftrainer des SC Magdeburg, sagte Geschäftsführer Marc-Henrik Schmedt. „Würdest Du übernehmen?“ Es sei dringend, am nächsten Tag ent- scheide der Aufsichtsrat. Mensch Marc, erwiderte Wiegert, der Jugend- koordinator des Klubs, „ich sitze gera- de beim Griechen.“ Wiegert verlangte zwei Stunden, um sich mit seiner Familie zu beraten. Er war junger Familienvater und wusste um die Größe des Amtes. Sein Vater Ingolf hatte einst als Kreisläufer den Mythos SCM genährt; er selbst war als Profi Deutscher Meister und Cham - pions League-Sieger geworden. Vor allem aber war er erst 34 Jahre alt und hatte keinerlei Erfahrung als Chef- trainer. Das Leben als SCM-Coach sei ein Grenzgang, warnte der Vater: „Hier oder da ein Tor weniger, und du stehst auf der Abschussliste.” Aber Wiegert sagte zu und übernahm den SCM, der im Mittelfeld der Liga vor sich hindümpelte und hoch verschul- det war. Und konnte es am 1. Mai 2016 wie viele Fans des Klubs kaum fassen, als sein Team im DHB-Pokal den ersten Titel seit 2002 feierte. „Kaum jemand hat uns diesen Erfolg zugetraut“, sagte Wiegert, der noch wie ein Spieler aus- sah. „Diejenigen, die daran geglaubt

Führte den SCM 2016 zum Titel: Bennet Wiegert

DIE RICHTIGE KABINE

haben, standen heute in meiner Mann- schaft.“ Vorausgegangen waren zwei Dramen, wie so oft in dem brodelnden Kessel der Hamburger Barclaycard Arena. Im Halbfinale gegen den Bergischen HC (36:33) siegte der SCM erst nach Ver- längerung. Und in der Neuauflage des Endspiels von 2015 rang das Team um Kapitän Fabian von Olphen den Top- favoriten SG Flensburg-Handewitt mit 32:30-Toren nieder. Der SCM spielte wieder im Europapokal. Was sich nicht nur für Wiegert unwirklich anfühlte. Kaum im Amt, war dem jüngsten Trai- ner der Liga ein harter Wind ins Gesicht geweht. Er sei zu unerfahren, hieß es, allein der Name habe ihm zum Job ver- holfen. Der Titel verschaffte dem Trai - ner-Novizen nun die nötige Luft zu Atmen. „Der Pokalsieg hat die Lage be- ruhigt und war der Dosenöffner, mir die volle Power einzuräumen“, so betrach-

tet es Wiegert heute. In der Folge näm- lich entschied der Club, Wiegert zum Geschäftsführer Sport zu ernennen. Einige hofften 2016, der überraschen - de Titel werde eine ähnliche Initialzün- dung darstellen wie 1996, als der SCM erstmals den Pokal gewonnen hatte und fünf Jahre später Meister wurde. Davon wollte Wiegert damals nichts wissen. Tatsächlich verschaffte der Pokalsieg dem jungen Coach die Ruhe, um das Team nach seinen Ideen umzu- bauen und zu entwickeln. Sechs Jahre später, 2022, gewann der SCM wieder eine Meisterschaft und wurde, als im Jahr darauf auch der Champions League-Sieg gelang und 2024 das Double aus Meisterschaft und Pokal, gar als „beste Mannschaft der Welt“ (Stefan Kretzschmar) beju- belt. Eine Erfolgsgeschichte, die Wie- gert an jenem Sonntagabend beim Griechen als Utopie abgetan hätte.

Mit dem sensationellen DHB-Pokalsieg 2014 gewannen die Füchse Berlin ihren ersten großen Titel. Eine Bestätigung des Weges, Talente wie Paul Drux zu entwickeln. Zur Pause stand es Remis, 11:11, das Finale um den DHB-Pokal zwischen der SG Flensburg-Handewitt und den Füchsen Berlin war völlig offen. Eine rhetorische Frage jedoch machte klar, dass dieses Zwischenresultat an die- sem 1. Mai 2014 dem Außenseiter in die Karten spielte. „In welcher Kabine wollt Ihr jetzt sitzen?“, fragte Füchse-Coach Dagur Sigurdsson, als die Profis sich den Schweiß abtrockneten. „In unse- rer? Oder in der Flensburger?“ Der Druck lag jedenfalls nicht bei den Füchsen, zumal sie zum Final4-Tur- nier mit vier Junioren angereist waren, mit Paul Drux, Fabian Wiede, Jonas Thümmler und Colja Löffler. Entspre -

chend befreit spielte die Mannschaft, die vom spanischen Weltmeister Iker Romero geführt wurde, nach Wieder- beginn auf. Und da Torwart Silvio Hei- nevetter hielt wie der Teufel, hielten die Füchse bis zum Ende mit – und holten tatsächlich mit dem 22:21 den ersten großen nationalen Titel nach Berlin. Dem isländischen Trainer, der seit 2009 im Amt war und für gewöhnlich Cool- ness ausstrahlte, standen Tränen in den Augen. „Das war ein Spiel, das wir wahrscheinlich nie vergessen wer- den“, sagte Sigurdsson. Dieser Pokal- sieg sei „die Krönung für unsere lange und harte Arbeit“, jubelte Manager Bob Hanning. „So ein Titel ist für die Außen- darstellung und für die Kommunikation in einer Metropole wie Berlin elemen- tar wichtig. Das ist eine Art Daseinsbe- rechtigung.“ Als Reinickendorfer Füchse hatte der

Club in den 1980er Jahren eine kurze Blüte erlebt, Höhepunkt war der Einzug ins Pokalfinale 1984. Erst Hanning hat - te den Berliner Handball seit 2006 mit dem Schwerpunkt auf die Jugendarbeit wieder aus der Versenkung geführt. Dass Talente wie Drux und Wiede einen Anteil am Pokalsieg hatten, bestätigte den eingeschlagenen Weg. Drux, damals 19 Jahre alt, hatte im Halbfinale gegen Melsungen den Tref - fer zum 30:28-Sieg erzielt, auch der ein Jahr ältere Wiede hatte Einsatz- zeiten erhalten. „Dass auch wir für den Pokal etwas geleistet haben, war ein tolles Gefühl“, erinnert sich Drux heu- te an diesen historischen Tag zurück. Von Titeln wie diesen hatte er als klei- ner Junge geträumt. „Für mich war der Sieg des DHB-Pokals unfassbar wich- tig“, sagt der 29-Jährige. „Und es war der erste große nationale Titel auch für den Klub.“ Drux und Wiede wurden bald auch Na- tionalspieler und entwickelten sich zu Gesichtern des Berliner Handballs. „Paul ist die DNA des Clubs“, sagt Han- ning, gemeinsam mit Wiede sei er die wichtigste Integrationsfigur der Füch - se. Ohne dieses Duo würden Stars wie Mathias Gidsel oder Dejan Milosavljev heute nicht das Füchse-Trikot tragen, ist der Manager überzeugt. Auch insofern erwies sich der histori- sche Tag im DHB-Pokal, an dem Paul Drux & Co. in der richtigen Kabine sa- ßen, als Meilenstein in der Geschichte der Füchse Berlin.

Grenzenlose Freude bei Kapitän Fabian von Olphen

Silvio Heinevetter in der Kabine nach dem Pokalsieg

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