DER AUFSTIEG DES FINAL4-TURNIERS UM DEN DHB-POKAL ZUM SPITZENEVENT
Mit dem Umzug in die Hamburger Color Line Arena stieg das DHB-Pokal-Final4 zu einem Event auf. War der Zuschauer- zuspruch bei der Premiere des Formats 1993 noch ausbaufähig, sollte sich dies schon rasch ändern. Heute gehört das Lidl Final4 zu den größten Sportveran- staltungen Deutschlands. Fünf Sekunden waren noch zu spielen im Endspiel um den DHB-Pokal des Jah- res 2003, und in diesen fünf Sekunden sollte sich für die SG Flensburg-Hande- witt alles verändern. Linksaußen Lars Christiansen startete zum finalen Tem - pogegenstoß, kreuzte das Spielfeld – und überwand den Essener Keeper Gri- scha Hannawald mit der Schlusssirene. Als das 31:30 (27:27, 16:12) gegen den TuSEM Essen feststand, stürmten sei- ne Mitspieler auf ihn zu und begruben ihn förmlich unter sich, um den ersten großen nationalen Titel der Nordlichter aus Flensburg zu feiern. Auf der Tribü- ne kämpfte Manfred Werner mit seinen Tränen. „Es ist wie ein Wunder“, sagte das SG-Urgestein. Der Funktionär meinte das in doppel- ter Hinsicht. Gemünzt war das auf den Triumph seiner SG, der Aufstieg des Handballdorfes Handewitt in die inter- nationale Spitze mutete in der Tat sur- real an. Aber das galt in Werners Augen ebenso für die grandiose Kulisse. Als Lars Christiansen an diesem histori- schen Tag mit seinem Tor die Entschei- dung erzwang, schauten fast 13.000 Fans dabei zu. Es war eine atemberau- bende Atmosphäre beim ersten Final4 in der Hamburger Color Line Arena. Ein Szenario, das für Manfred Werner an- gesichts der teils schwierigen Erfah- rungen mit diesem Turnier unwirklich erscheinen musste. Werner dachte zurück an das Jahr 1993, als der 1992 gegründete Ligaausschuss um Heinz Jacobsen in Frankfurt das Fi- nal4 erstmals in der Frankfurter Ball- sporthalle getestet hatte. Die Premiere im Juni 1993 verlief nämlich anders als erhofft. Die Ränge der Arena waren nur zur Hälfte besetzt. Und das, obwohl mit der SG Wallau-Massenheim und dem Zweitligisten Eintracht Wiesbaden
weise ein VIP-Zelt auf dem Parkplatz hinter der Halle aufgebaut.“ Doch die Zuschauer nahmen den Event an. Die Halle, die knapp 4.500 Fans fasste, war stets ausverkauft. Schon bei der ers- ten Austragung 1994 erhielten die vier Teilnehmer eine fünfstellige Prämie. Die Nachfrage entwickelte sich so prächtig, dass die Liga 2001 einen Um- zug in eine andere Stadt in Erwägung zog, eine Option war die neue Kölnare- na. Doch als mit der Color Line Arena eine moderne Spielstätte entstand, blieb das Turnier in Hamburg. Vor dem Umzug in den Volkspark jedoch be- fürchtete Werner, der im Präsidium der Liga für die Finanzen zuständig war, die Halle nicht füllen zu können. Er sorgte sich um die just neugegründete HBL GmbH, die den Event nun verantwor- tete. „Ich hatte starke Bauchschmerzen, das gebe ich zu, das Risiko erschien mir sehr groß“, berichtete Werner später. „Doch dann sahen wir, als der Kartenverkauf im Internet freigeschaltet wurde, dass die Karten wie warme Semmeln weg- gingen.“ Die Erleichterung war groß. Und diese positive Entwicklung hält bis heute an. Nach fast 30 Jahren in Hamburg wechselte das große Final- wochenende um den DHB-Pokal 2023 nach Köln. Seither verfolgen 19.750 erstmals in der LANXESS arena in Köln, einer der größten und modernsten Ver- anstaltungshallen der Welt, das Premi- um-Event.
THW Kiel nach dem DHB-Pokalsieg 1999
DER LANGE WEG DES THW KIEL ZUM ERSTEN POKALSIEG
Übergabe des DHB-Pokals an die SG Wallau- Massenheim 1993
Mit zwölf Titeln ist der THW Kiel heute Rekordpokalsieger. Für den ersehnten ersten Triumph im Jahre 1998 nahmen die „Zebras“ einen langen Anlauf. Am 4. April 1998 drohte dem THW Kiel erneut ein Rückfall in seine Zeitschleife des DHB-Pokals. Im Halbfinale des Fi - nal Four-Turniers spielte das Team von Trainer Noka Serdarusic in der Ham- burger Alsterdorfer Sporthalle eine fürchterliche erste Halbzeit und lag gegen den Zweitligisten TuS Schutter- wald mit 13:14-Toren zurück. Regisseur Magnus Wislander, der große Schwede, fürchtete schon, „dass wir das Endspiel nicht mehr erleben werden“. Wie eine düstere Handballversion des Hollywood-Klassikers „Und täglich grüßt das Murmeltier“ waren den „Ze- bras“ die Jahre zuvor erschienen. So wie Bill Murray immer wieder densel- ben Tag erleben musste, scheiterten die „Zebras“ im Pokal – selbst, wenn
sie die Meister-Serien beherrschten. „Wir hatten einfach auch viel Lospech“, erinnert sich Kreisläufer Klaus-Dieter Petersen. „Wir haben so oft in Magde- burg und in Lemgo verloren.“ Zweimal immerhin waren die „Zebras“ ins Endspiel eingezogen. 1979 waren sie Grün-Weiß Dankersen unterlegen, 1990 in zwei Finalspielen dem TSV Mil- bertshofen. Doch damals war der THW noch nicht der Branchenführer. Im Jahr 1995 immerhin hatte das Team unter Trainer Serdarusic das erste Mal das Final Four erreicht, das sich seit 1994 in Hamburg erfolgreich etabliert hatte. Aber dort unterlagen sie im Halbfina - le dem späteren Sieger TBV Lemgo. In einem Drama selbstverständlich, nach Verlängerung. Im Frühjahr 1998 lag der THW, der Meister der Jahre 1994, 1995 und 1996, in der Bundesliga erneut auf Titelkurs. Und vor erneut ausverkauftem Haus
(4.200 Fans) schien der Rahmen für den ersten Pokalsieg der Historie per- fekt. „Das war auf den Rängen schon eine gute Kieler Stimmung“, erinnert sich Petersen. „Aber das Schwierige ist nun einmal, dass man im Pokal immer performen muss. Das sind die berühm- ten eigenen Gesetze des Pokals.“ Jedenfalls mühte sich der THW Kiel im Halbfinale von 1998 gegen die von Mar - tin Heuberger trainierten Schutterwäl- der doch zu einem Sieg (28:24). Und dann geschah das Unfassbare: Als es einen Tag später gegen den TV Nieder- würzbach ging, präsentierten sich die Kieler wie verwandelt – und “zerstör- ten” die Saarländer um Torhüter Andrei Lavrov, Kreisläufer Christian Schwarzer und Regisseur Markus Baur mit einem sagenhaften Tempohandball. Am Ende stand es 30:15 (11:6), die Prot- agonisten Wislander, Petersen, Thomas Knorr und Wolfgang Schwenke feier- ten. Es ist bis heute der höchste Final- sieg in der fünfzigjährigen Historie des Wettbewerbs. „Ich weiß, dass im Finale jeder ein spannendes Spiel erwartet“, sagte Serdarusic. „Es tut mir leid, aber ich habe auch so ein schönes Spiel ge- sehen – von meiner Mannschaft.“ Mit diesem Kantersieg war der Kieler Knoten im Pokal mit einem Male zer- schlagen. In den zwei folgenden Jahren siegte der THW ebenfalls – und feierte den ersten Hattrick in der Geschich- te des Pokal-Wettbewerbs. Der Zeit- schleife war er damit endgültig ent- ronnen.
zwei Klubs aus der Nähe von Frankfurt teilnahmen. So mussten die vier Teil- nehmer (Wallau, Wiesbaden, Dormagen und Hameln) das Defizit ausgleichen. Bei der Reflexion kam Jacobsen die zündende Idee. „Die Vorstellung war, in eine Stadt zu gehen, die als Stand- ort ähnlich populär ist wie Berlin im Fußball“, erzählt er. Doch die Skeptiker befürchteten weitere katastropha- le Veranstaltungen für den Fall, dass sich vier Süd-Vereine für Hamburg qualifizierten. Hamburg war seinerzeit eine Handball-Diaspora; seit Mitte der 1970er Jahre spielte dort kein Erstligist mehr. Aber der Visionär Jacobsen setzte sich durch, so gastierte das Final4 1994 erstmals in der Alsterdorfer Sporthalle. „Wir mussten viel improvisieren“, sagt Jacobsen. „Damals haben wir beispiels-
Manfred „Manni“ Werner und seine SG Flensburg-Handewitt nach dem DHB-Pokalsieg 2004
1990 unterlag der THW Kiel dem TSV Milbertshofen im DHB-Pokalfinale
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